Wattenbek. Der Vergleich ist in den vergangenen knapp zwei Jahren schon mehrfach bemüht worden: Wattenbek wird oft verglichen mit dem kleinen gallischen Dorf aus den Comic-Heften von Albert Uderzo und René Goscinny. Unbeugsam widerstehen die Hauptfiguren Asterix und Obelix den römischen Invasoren. Standhaft behauptet sich auch der TSV Wattenbek in der dritthöchsten deutschen Spielklasse gegen hoch angesehene Konkurrenten mit großer Tradition oder großem Portemonnaie. Im Frühjahr 2017 aus der Oberliga Hamburg/Schleswig-Holstein als Meister in die Dritta Liga Nord aufgestiegen, schaffte das von Andreas Juhra trainierte Team als Neuling nach einer nervenaufreibenden ersten Spielzeit im Oberhaus erst spät den Klassenerhalt. Beim Sieg im Abstiegskrimi in Schwerin war auch der prominenteste Fan der Mannschaft dabei. Der im Kreis Rendsburg-Eckernförde aufgewachsene Ministerpräsident Daniel Günther, in seiner Jugend selbst aktiver Handballer, feierte mit dem Team den Klassenerhalt. Im zweiten Jahr auf DHB-Ebene rangieren die Peitschen nun zur Winterpause mit 15:7 Punkten auf Rang vier der Tabelle, gehören mittlerweile zu den etablierten Vereinen im Norden.
„So klein sind wir eigentlich gar nicht. In der Gemeinde leben rund 3000 Einwohner, und in der Region Bordesholm haben sogar rund 15 000 Menschen ihre Heimat. Wir sind zwischen Neumünster und Kiel sehr präsent“, erzählt Ernst Werner Jappe, der Mann, der hinter dem kleinen Handball-Wunder des TSV Wattenbek von 1963 steckt. „Frauenhandball gibt es hier seit den 70er Jahren“, erinnert sich der heute 69-jährige Jappe, der eigentlich vom Fußball kam, dann aber die Sportart wechselte, weil seine Frau Brigitte und die Tochter sich dem Handballsport widmeten. Generationen von Kindern erlernten das Handball-Einmal-Eins beim sportbegeisterten Ehepaar. „Wir hatten zeitweise in allen Altersgruppen im weiblichen Bereich Mannschaften gemeldet“, sagt Jappe, der mit gut ausgebildeten „Eigengewächsen“ die Grundlage für eine florierende Handballsparte legte.
Ab dem Jahr 2000 begann der Durchmarsch der „Peitschen“ aus der Kreis- in die Oberliga, die 2006 erreicht war. Kreisläuferin Tanja Potratz, die mittlerweile dienstälteste Spielerin im Kader von Coach Andreas Juhra, der seine ersten Gehversuche als Trainer auch beim TSV machte, ehe er sich die Sporen in der Zweiten Bundesliga beim TV Travemünde und der SG Rosengarten verdiente, kam damals in den Verein. Neben vorhandenen eigenen Talenten kamen andere Spielerinnen hinzu, so Svenja Hollerbuhl, die häufig in den Top Drei der Torjägerlisten zu finden ist. Janina Harms, die 2018 sogar Sportlerin des Jahres in Neumünster wurde, und weitere Leistungsträgerinnen schlossen sich den Peitschen an. Zur Saison 2017/2018 schaffte Wattenbek den Sprung in die Dritte Liga. Inzwischen kennt man Wattenbek nicht nur im nördlichsten Bundesland.
Tanja Potratz spielt inzwischen in der zweiten Mannschaft, die 2018 in die Landesliga aufstieg, hilft aber regelmäßig im Drittliga-Team aus. Die heutigen zweiten Frauen stellen überwiegend den Kader, der diese sportliche Entwicklung vollbracht hat. „Der Zusammenhalt im Damenbereich ist groß. Wattenbek ist eine Handball-Familie“, nennt Jappe, der in den Jahren viele Mitstreiter begeistern konnte, den Hauptgrund für den Aufschwung. Im Vordergrund stehe immer die Mannschaft und deren sportliche Entwicklung. Folglich war es auch nicht verwunderlich, dass zur aktuellen Saison auch eine dritte Mannschaft gemeldet wurde.
Der Verein und der 2006 gegründete Förderverein, dessen Vorsitzender ebenfalls Jappe ist, sehen ihre Aufgabe darin, organisatorisch und wirtschaftlich alles möglich zu machen, „was den Sport der Mädels unterstützt“. Geld spielt dabei eine eher untergeordnete Rolle, die Spielerinnen erhalten für ihren enormen Einsatz keine Vergütung, sind lupenreine Amateure. „Aber natürlich kostet Handball auf diesem Niveau Geld, und wir sind sehr glücklich, dass wir in der Region im Laufe der Zeit dem Handball sehr verbundene Sponsoren gefunden haben“, so Jappe. Aus diesem Grund wurde auch der Aufkleber „Mit Peitschenhandball – Hand in Hand – im Bordesholmer Land“ entsprechend gestaltet und soll weitere Sponsoren ansprechen.
„Strippenzieher“ Jappe möchte die Verantwortung in Zukunft auf weitere Schultern verteilen. Sein Wunsch für dieses Jahr: Zehn weitere Personen, zwei Schiedsrichter, zwei Personen im Trainer-/Helferteam und mindestens zwei Spielerinnen pro Mannschaft für eine noch größere Leistungsdichte.
Quelle: Kieler Nachrichten, 18.01.2019